Dienstag, 2. Juni 2020

Montagsfrage #21



Hallo alle miteinander!
Ich hoffe, ihr hattet schöne Feiertage. Ich weiß, es ist inzwischen nicht mehr Montag. Zur Erklärung: Ich verbringe meine Feiertage sehr gerne mit meiner Familie, die inzwischen sehr selten sehe. Also habe ich mir das gesamte Wochenende freigemacht und mich mit nichts anderem beschäftigt. Bitte seht es mir nach. Doch das Thema war diese Woche so spannend und kontrovers, das ich es unbedingt trotzdem beantworten wollte. Deshalb schreibe ich diesen Post erst heute. Ich habe mich ein ganz klein wenig an den Fragen langgehangelt, die Antonia bereits in ihrem Post aufgegriffen hat.

Sollten weibliche Autoren mehr aus Sicht von weiblichen Protagonisten schreiben?


Ich habe vor einigen Wochen einen sehr spannenden Textes darüber gelesen, wie sich fehlende Daten und Unterscheidungen negativ auf Frauen auswirken, zum Beispiel in der Medizin oder auch schlicht im Alltag wie beim Autofahren.
Im Zuge dessen habe ich mal überlegt, wie denn das Verhältnis von weiblichen und männlichen Autoren und Protagonisten in meinem Bücherregal ist. Und dabei ist mir aufgefallen, dass sich das Geschlecht der Autoren in etwa die Waage hält, aber Frauen hauptsächlich über Frauen und Männer hauptsächlich über Männer schreiben.
Warum das so ist, liegt eigentlich auf der Hand. Viele Frauen empfinden es als leichter, eine Frau als Protagonisten zu haben, ebenso wie es Männer eben einfacher finden, über Männer zu schreiben. Das ist zumindest meine Theorie. Natürlich gibt es auch jede Menge Bücher, die das Gegenteil beweisen, welche also von Frauen geschrieben wurden und super männliche Protagonisten haben (z.B. Harry Potter) oder von Männern geschrieben wurden, aber weibliche Protagonisten haben (z.B. Nevernight).

Sollten wir generell Literatur von weiblichen Autoren lesen? Auf jeden Fall. Wie viele Geschichten würden uns entgehen, wenn wir dies nicht tun würden (ca. 50 %, um genau zu sein)! Harry Potter, Warrior&Peace, Lady Trents Memoiren, Iron Flowers, Stolz und Vorurteil, delirium, Selection, Der Distelfink, Die Nachtigall und so weiter, und so fort, um nur einige sehr wenige zu nennen. In der heutigen Zeit mag dies eine seltsame Frage sein, aber noch vor 200 Jahren wäre die Antwort ganz anders ausgefallen. Damals sprach man Frauen schließlich noch jedwegen Intellekt ab. So haben sich noch im 19. Jahrhundert viele Frauen hinter männlichen Pseudonymen versteckt, um überhaupt eine Chance zu haben. Und als geeignet für Frauen, wenn überhaupt, galten nur seichteste Liebesromane.
Ich finde es einfach klasse, in einer Zeit wie der unseren zu leben, in der man einfach in einen Buchladen gehen kann und sich das heraussuchen kann, was man will, unabhängig vom Geschlecht des Autors (wir wollen hier die LGBTQ+ Autoren natürlich auch nicht vergessen, für die gilt nämlich dasselbe).

Sollten Frauen nur über Frauen schreiben? Auf gar keinen Fall. Ich finde es immer doof, Menschen in dieser Hinsicht etwas vorzuschreiben. Das schränkt nur die so hoch geschätzte Kreativität ein. Ich mag solche Zwänge nicht. Du bist eine Frau, also schreib gefälligst nur über Frauen. Du bist eine Frau, also kannst du nur Liebesromane schreiben oder lesen (Ich als junge Frau habe übrigens eine tiefe Abneigung gegen Bücher, in denen es letztendlich "nur" um eine Liebesgeschichte geht, also auch gegen New Adult/Young Adult. Nur mal so am Rande.). Du bist eine Frau, du kannst nur über Frauen schreiben. Allesamt Klischees, die erfunden und erlogen sind. Wie gesagt, auch eine Frau kann sehr gute Männerfiguren überzeugend schreiben.

Und sollte es weiblichen Protagonisten geben? Eigentlich ist diese Frage hinfällig, denn es ist genau dieselbe Antwort wie auf die erste. Ohne Frauen fehlen 50 % und das ist verdammt viel. Auch weibliche Problematiken können von Frauen (als Autor und/oder als Protagonist) ebenso gut wie von Männern erzählt werden ebenso wie männliche Problematiken. Klischees, finde ich, sind sowieso überholt und eigentlich nur dafür da, um gebrochen zu werden. Denn das Außergewöhnliche ist das spannende und das, was wirklich gute Bücher hervorhebt. Auch ein Mann kann sich um die Versorgung von Babys Gedanken machen und den gesamten Haushalt schmeißen, während die Frau in die große Politik geht und Weltgeschichte schreibt (nur um mal eines der sehr alten Klischees aufzugreifen).

Sollten weibliche Autoren also mehr aus Sicht von weiblichen Protagonisten schreiben? Nein. Autoren sollten über die Themen schreiben, die sie interessieren. Und ob ein Buch mich begeistern kann oder nicht hat letzten Endes überhaupt nichts damit zu tun, ob der Protagonist männlich, weiblich oder divers ist, welche Hautfarbe, Staatsangehörigkeit oder Religion er hat, sondern lediglich, ob er überzeugend und stimmig in seiner Komplexität geschrieben ist. Das macht gute Figuren für mich aus.

Für all diejenigen, die es interessiert, wie sich die Rolle der Frau als Autorin, Leserin und Protagonistin im Laufe der Zeit verändert und entwickelt hat, habe ich noch einen Buchtipp: "Frauen und Bücher - Eine Leidenschaft mit Folgen" von Stefan Bollmann. Ich fand dieses Buch großartig - und es hat mir einen Teil meines Deutschabiturs gerettet.

Frauen und Bücher - Eine Leidenschaft mit Folgen


Wussten Sie, dass Marilyn Monroe eine passionierte Leserin war und eines ihrer Lieblingsbücher der Ulysses von James Joyce? Dass der Studienabbrecher Friedrich Gottlieb Klopstock 1750 die Dichterlesung erfand, als er einer Schar junger Frauen seine Oden vortrug und dafür Küsse kassierte? Dass Jane Austen nur Frauen für voll nahm, die Romane lieben? Oder dass vor 150 Jahren Eugenie Marlitt, eine entlassene Vorleserin, zur ersten Bestsellerautorin der Welt aufstieg?
Diese und eine Fülle anderer Begebenheiten lässt Stefan Bollmann in einem unterhaltsam geschriebenen Panorama lebendig werden. Zugleich erzählt er eine überraschend andere Geschichte des Lesens, seiner Macht und Magie. Lesen kann Leben und Lieben verändern. Ein Buch für Frauen, die leidenschaftlich gern lesen – und aus dem Männer erfahren, was ihre Frauen meinen, wenn sie sagen: »Jetzt nicht! Ich lese!«


Das ist jetzt ganz schön ausgeartet. Und doch musste das alles mal gesagt werden. Ich hoffe, ihr habt bis hierher durchgehalten. Ich verabschiede mich fürs erste von euch. Was habt ihr für eine Meinung zu dem Thema? Schreibt es mir doch gerne in die Kommentare. Hier geht es zum Mutterschiff bei Lauter&Leise. Bis zum nächsten Mal und vergesst nicht: Lest schön!
Eure Shannon

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