Freitag, 7. Mai 2021

Writing Friday #4: Die Leiche im See


Es ist schon eine Weile her, seit ich das letzte Mal beim Writing Friday mitgemacht habe, dieses Jahr noch gar nicht, deshalb wird es langsam mal wieder Zeit. And here we are. Heute mit einem Leichenfund, der einen Polizisten ziemlich ins Schwitzen bringt. Nagelt mich nur bitte nicht auf die korrekten polizeilichen Details fest. Ich wünsche euch viel Spaß.

Die Regeln im Überblick

- Am Freitag wird veröffentlicht
- Wählt aus einem der vorgegeben Schreibthemen
- Schreibt eine Geschichte / ein Gedicht / ein paar Zeilen – egal Hauptsache ihr übt
  euer kreatives Schreiben
- Vergesst nicht den Hashtag #WritingFriday und den Header zu verwenden
- Schaut unbedingt bei euren Schreibkameraden vorbei und lest euch die Geschichten
  durch!
- Habt Spass und versucht voneinander zu lernen

Schreibthemen Mai

- Marlen betritt einen alten Buchladen und entdeckt dabei ein sprechendes Buch.
  Beschreibe den Buchladen, die Stimmung und lass uns am Gespräch zwischen ihr
  und dem Buch teilhaben.
- Eine Wasserleiche taucht beim Badesee auf – schreibe eine Polizeibericht über
  diesen Vorfall.
- Schreibe eine Geschichte, die mit dem Satz “Geister gab es doch nun wirklich nicht,
  aber…” beginnt.
- Schreibe eine Geschichte und lasse folgende Wörter mit einfliessen: Sonnenschein,
  Knallbonbon, friedlich, vorwärts, Katze
- Max darf zum ersten Mal mit seinen Freunden auf den Jahrmarkt. Erzähle von
  seinem Tag und versuche dabei aus dem Blickwinkel eines 10-Jährigen zu schreiben.

Eine Wasserleiche taucht beim Badesee auf – schreibe eine Polizeibericht über diesen Vorfall.

Montag Morgen, 8.43 Uhr. Wiese am kleinen Waldsee. Anruf geht ein, Passanten hätten eine hilflose Person gesichtet.
8.55 Uhr Streife trifft vor Ort ein, bestätigt Leichenfund, sperrt Tatort für Spurensicherung und Kriminalpolizei
9.05 Uhr Kriminalpolizei und Spurensicherung samt Verstärkung treffen am Tatort ein
9.55 Uhr Abtransport der Leiche in die Pathologie für weiterführende Untersuchungen, Befragung der Passanten und Anwohner bisher ergebnislos

Die Leiche: weiblich, Anfang bis Mitte 20, braune schulterlange Haare, vermutlich dunkle Hautfarbe, relativ klein. Laut Obduktionsbericht Todeszeitpunkt vor mindestens fünf Jahren, Todesursache vermutlich Ertrinken, da sich Wasser in der Lunge befand. Eventuelle weitere Verletzungen aufgrund des Alters der Leiche nicht mehr nachweisbar. Besondere Merkmale: weist einige zum Todeszeitpunkt relativ frisch verheilte Knochenbrüche auf, darunter zwei mit Platten gerichtete, außerdem Tattoo auf rechtem Oberarm, schlecht zu erkennen. Drei Zahnimplantate. Beckenstellung weist darauf hin, dass sie bereit ein Kind zur Welt gebracht hat

Ein blauer Kanarienvogel, hätte ich am liebsten geschrieben, doch ich konnte mich im letzten Moment gerade noch zurücknehmen. Bei einer Leiche ungeklärter Identität ist solches Wissen fatal, wenn man wie ich die Leiche eigentlich nicht gesehen hat, sondern nur den Papierkram erledigt. Wissen, dass die Polizei (so sie denn darüber verfügt, was im Moment nicht der Fall ist), gerne mal vor der Öffentlichkeit zurückhält, sodass nur einige Eingeweihte und der Täter darüber verfügen. Solche Details haben gerne schon mal dazu geführt, dass ein Verdächtiger sich verraten hat. Täterwissen.
Meine Augen überflogen die Seite und fanden den Punkt, an dem ich weiterschreiben musste.

Identität bisher ungeklärt. Keine Fingerabdruckabnahme möglich. Abgleich über Krankenakte bisher erfolglos. Mehrere mögliche Treffer bei Vermisstenanzeigen.

Es folgten einige Namen, doch keiner davon war sie. Maya Fischer. Mutter einer heute sechsjährigen Tochter, alleinerziehend, studierte Lehreramt für Sekundarstufe 2. Gerade einmal 20 Jahre alt, als sie starb. Maya mit den Augen, die leuchteten wie junges Gras in der Sonne. Maya, die Handball liebte und sich trotz einigem Talent regelmäßig die Knochen brach. Maya, die ich von klein auf kannte.
Sie lebte im Haus neben unserem und war fünf Jahre älter als ich. Sie war keines der hochmütigen Mädchen, die sich zu fein für alles waren, oder für die ich so viel jünger war, dass ich eigentlich nicht existierte, noch war sie besonders schüchtern und versteckte sich hinter den Beinen ihrer Eltern, wenn sie mich sah. Wir tobten regelmäßig im Hof und wurden schnell gute Freunde. Es war eine tolle Zeit.
Später lebten wir uns auseinander. Sie war ein kluges Mädchen und ging aufs Gymnasium, während ich auf die Realschule kam. Dennoch verloren wir uns nie wirklich aus den Augen. Sie war gerne bei mir, habe ich mich doch nie über ihre etwas pummelige Figur oder ihre dunkle Haut lustig gemacht. Sie hat es zwar nie erwähnt, aber ich wusste, wie sehr sie solche Hänseleien mitnahmen.
Es war nicht geplant, was an einem Sommertag vor fünf Jahren geschah. Wir hatten uns am See verabredet. Nicht am Badestrand, sondern am gegenüberliegenden felsigeren Ufer. Hier kamen weniger Menschen her, besonders um diese frühe Uhrzeit, was uns beiden sehr gelegen kam. Maya brauchte eine Pause von ihrem Studium und ihrem Kind, auf welches ihre ältere Schwester aufpasste, ohne dabei zu sehr angestarrt zu werden. Ich hingegen hatte mir in den Kopf gesetzt, Polizist werden zu wollen. Nur konnte ich nicht schwimmen, weshalb Maya angeboten hatte, es mir beizubringen. Wir waren ein Stück auf den See hinausgeschwommen, Maya mit langen, kräftigen Zügen, ich mehr schlecht als recht hinter ihr her paddelnd.
Ich habe bis heute nicht herausgefunden, warum Maya plötzlich ins Straucheln und Rudern geriet. Ich erinnere mich nur noch daran, dass sie einige Momente verzweifelt ruderte, doch dann einfach unterging und nicht wieder auftauchte. Ich war einige Meter hinter ihr und als ich den Ort, an dem sie unterging, endlich erreichte, fehlte von ihr jegliche Spur.
Und ich? Ich war ein Feigling. Ich suchte einige Minuten, doch Maya tauchte nicht wieder auf. Zu tauchen - das einzige, was ihr wohl wirklich hätte helfen können - traute ich mir nicht zu, deshalb schwamm ich zurück zum Ufer, rief anonym bei Mayas Schwester an - und verschwand. Ich bin nie wieder an den See zurückgekehrt.
Und jetzt lag genau dieser Fall auf meinem Schreibtisch. Zufall? Daran konnte ich nicht glauben. Bis heute hatte ich mehr schlecht als recht versucht, die Erinnerungen an diesen Tag zu verdrängen. Doch nun? Vergessen war unmöglich, so viel stand fest. Und weitermachen wie bisher konnte ich auch nicht mehr. Eigentlich blieb mir nur eine Wahl, so wenig sie mir auch gefiel.
Seufzend stand ich auch und stieg in die dritte Etage hinauf. Henry Schmidt von der Mordkommission hatte die Leitung des Falls übernommen. Rebecca saß bei ihm in der Abteilung und war für den Papierkram zuständig. Sie lächelte mich freundlich, aber etwas fragend an. "Hi, Rebecca. Kannst du drinnen Bescheid sagen? Ich muss eine Aussage machen."

Damit verabschiede ich mich für heute von euch. Schreibt mir gerne in die Kommentare, wie ihr meine kleine Geschichte findet. Ich bin offen für Kritik, nehme aber natürlich auch gerne Lob an. Das Mutterschiff ist bei "read books and fall in love". Hier geht es zur Themenübersicht für den Mai. Bis zum nächsten Mal und vergesst nicht: Lest schön!
Eure Shannon

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